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„Mein Bauch fühlt sich nicht mehr richtig an“ – Was hinter diesem Gefühl nach der Geburt stecken kann

  • Autorenbild: Isi Schwager
    Isi Schwager
  • 24. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Was ist eine Rektusdiastase und eine Bauchwand-Dysfunktion und wie kann ich mir selber mit den Problemen helfen?

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Viele Menschen, besonders nach einer Geburt, kennen dieses Gefühl: Der Bauch fühlt sich irgendwie instabil an. Vielleicht ist da eine weiche Stelle in der Mitte, vielleicht spannt es, tut weh oder der Rücken macht ständig Probleme. Und dann stellt sich die Frage: „Ist das normal – oder stimmt da was nicht?“


Tatsächlich steckt dahinter häufig etwas, das viele betrifft, aber nur wenige wirklich erklärt bekommen: eine Rektusdiastase oder eine Bauchwanddysfunktion. Und auch wenn diese Begriffe erst mal technisch klingen – sie lassen sich gut verstehen. Und vor allem: Sie lassen sich gut behandeln. Ohne Operation.


Was ist eine Rektusdiastase – und ist sie wirklich immer ein Problem?

Bei einer Rektusdiastase weichen die geraden Bauchmuskeln – also die, die vorne über dem Bauch verlaufen – auseinander. Dazwischen liegt Bindegewebe, die sogenannte Linea alba. Diese dehnt sich in der Schwangerschaft, bei starkem Druck im Bauchraum oder auch durch ungünstige Belastungen. Nach der Geburt kann diese Lücke oft bestehen bleiben.

Aber – und das ist wichtig – nicht jede Lücke ist automatisch behandlungsbedürftig. Erst wenn die Stabilität nicht mehr gegeben ist, wenn das Bindegewebe weich ist, die Muskeln nicht gut ansteuern oder halten können oder Symptome auftreten, sprechen wir von einer dysfunktionalen Rektusdiastase. Eine Lücke allein, auch wenn sie zwei, drei, oder sogar mehr Zentimeter misst, kann völlig unproblematisch sein – solange der Rumpf stabil ist und keine Beschwerden auftreten.


Und was ist dann eine Bauchwanddysfunktion?

Eine Bauchwanddysfunktion bedeutet, dass die Bauchmuskulatur – oft trotz geschlossener oder gar keiner Rektusdiastase – nicht richtig funktioniert. Sie kann nicht gut angesteuert werden, reagiert nicht effizient auf Belastung oder schafft es nicht, den Rumpf zu stabilisieren. Ursachen können eine Schwangerschaft sein, aber auch Operationen, Bauchgeburten (Kaiserschnitt) oder ungünstige Atemmuster, bei denen die Atmung zu sehr in den oberen Brustkorb verlagert ist.


Und das tückische daran: Viele der typischen Beschwerden – wie Instabilitätsgefühl im Bauch, Rückenschmerzen oder Schmerzen an der Bauchwand – können sowohl bei einer Rektusdiastase als auch bei einer Bauchwanddysfunktion auftreten. Manchmal sogar dann, wenn die Lücke gar nicht mehr messbar ist.


Manche Menschen haben also eine sichtbare Rektusdiastase, aber eine stabile, gut funktionierende Bauchwand. Andere haben keine große Lücke, leiden aber an einer Dysfunktion mit denselben Symptomen. Deshalb ist es wichtig, genau hinzuschauen – und nicht nur die Lücke, sondern das gesamte Zusammenspiel der Muskulatur zu betrachten.

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Gute Nachrichten: Die meisten Bauchwandprobleme lassen sich ohne OP behandeln

Das Wichtigste zuerst: Eine Operation ist nur in den wenigsten Fällen notwendig – und leider auch nicht immer nachhaltig wirksam. Denn das Zusammennähen der Bauchmuskeln behebt zwar die Lücke, aber nicht automatisch die zugrunde liegende Dysfunktion. Wenn die Muskulatur nicht gelernt hat, wieder gut zu arbeiten, kann es passieren, dass Symptome bestehen bleiben oder sogar erneut auftreten. In manchen Fällen kommt es sogar vor, dass sich die Naht wieder löst, wenn der Rumpf nicht ausreichend stabilisiert wird.


Vielversprechender – und langfristig nachhaltiger – ist eine konservative Therapie. Sie setzt an zwei Stellen an: im Alltag und im gezielten Training.


Im Alltag bedeutet das, sich bestimmte Belastungen bewusst zu machen – wie etwa schweres Tragen, so genannte high-impact Sportarten oder ungünstige Hebe- und Drehbewegungen – und zu lernen, wie man diese mit mehr Stabilität und Muskelkontrolle ausführen kann.


Im Training geht es darum, gezielt den tiefsten Bauchmuskel, den Musculus transversus abdominis, wieder aktivieren zu lernen. Er wirkt wie eine innere Corsage, die unseren Rumpf umschließt und für Stabilität sorgt. Wenn er gut funktioniert, entlastet er nicht nur die Bauchwand, sondern unterstützt auch den Beckenboden und die Wirbelsäule.


Ein Beispiel für eine einfache, aber sehr wirksame Übung ist die sogenannte 360-Grad-Atmung, die du weiter unten findest.


Warum die Bauchwand so wichtig ist – weit über die Ästhetik hinaus

Die Bauchwand spielt eine zentrale Rolle in unserem Körper – sie ist nicht nur für ein gutes Körpergefühl da oder dafür, dass wir uns stabil fühlen. Sie beeinflusst unsere Haltung, die Kraftübertragung im Alltag und vor allem auch den Beckenboden und die Rückenmuskulatur. Wenn die Bauchwand ihre Funktion nicht erfüllt, kann das langfristig zu Rückenschmerzen, Inkontinenz oder einem instabilen Gefühl im ganzen Rumpf führen.

Gerade nach einer Geburt – aber auch viele Jahre später – kann das System rund um Bauch, Beckenboden und Rücken aus dem Gleichgewicht geraten. Das betrifft nicht nur frischgebackene Eltern, sondern auch viele, die schon längst aus der Babyzeit raus sind und sich dennoch im Bauchbereich nicht “ganz” fühlen.


Du bist nicht allein.

Das vielleicht Wichtigste: Dieses Thema ist extrem häufig – und viel zu wenig bekannt. Es gibt Studien, die zeigen, dass bis zu 32,6% der Personen nach einer Geburt von einer Rektusdiastase betroffen sind. 30 Jahre nach Geburt zeigen immer noch 10 % eine Rektusdiastase, die über 3 cm ist, größer 2 cm sind es sogar 20 %. Und auch unabhängig von Geburten kann durch unseren modernen Lebensstil mit viel Sitzen und wenig bewusster Bewegung das muskuläre Zusammenspiel im Rumpf geschwächt sein.

Wenn sich dein Bauch also instabil, weich oder irgendwie „nicht richtig“ anfühlt, dann bist du mit diesem Gefühl keinesfalls allein – und es gibt gute, nachhaltige Möglichkeiten, etwas daran zu ändern.


Was kann ich selbst tun? Der Alltag und die ersten Schritte

Im Alltag ist es wichtig, Belastungen bewusst zu steuern. Vieles, was wir als selbstverständlich ansehen, kann die Bauchwand unnötig belasten: schweres Tragen, häufiges Heben, Pressen beim Toilettengang oder sogar falsche Atemmuster, bei denen man eher in den Brustkorb als in den Bauchraum atmet.

Eine gezielte Bauch-Atmung hilft hier enorm. Die sogenannte 360-Grad-Atmung lässt den Bauchraum wie einen Luftballon in alle Richtungen sanft aufdehnen – nach vorne, hinten, seitlich, nach unten und oben. So kann die Bauchmuskulatur wieder besser arbeiten, ohne Druck aufzubauen.


Die 360-Grad-Atmung – So geht’s

Setz dich bequem hin, mit einem geraden Rücken. Stell dir vor, an deinem Kopf zieht ein kleiner Heliumballon dich ganz leicht nach oben – ohne, dass sich deine Muskulatur zu sehr anspannt. Am Anfang ist es hilfreich, sich mit einem Kissen im Rücken abzustützen, damit du dich entspannen kannst.


Beim Einatmen stell dir vor, dein Bauchraum ist ein Luftballon, der sich in alle Richtungen sanft weitet – du atmest nicht nur nach vorne, sondern auch seitlich und nach hinten. Beim Ausatmen stell dir vor, dass der Luftballon ein kleines Loch hat, durch das die Luft langsam und kontrolliert herausströmt. Dabei ziehst du den Beckenboden und die tiefen Bauchmuskeln kraftvoll nach innen, schiebst die Rippenbögen und die Beckenknochen zusammen, als würdest du die Luft ganz bewusst aus dem Ballon herauspressen.

Das wiederholst du 10-15 mal und machst nach einer kleinen Pause noch zwei Durchgänge.


Diese Übung hilft dir, deine Bauchmuskeln gezielt zu aktivieren, ohne unnötigen Druck aufzubauen. Sie ist ein wichtiger erster Schritt, um deine Bauchwandgesundheit nachhaltig zu verbessern.


Fazit: Es gibt Hoffnung und Lösungen für dich

Ob Rektusdiastase oder Bauchwanddysfunktion – beides lässt sich sehr gut konservativ behandeln. Du musst nicht mit Schmerzen oder Unsicherheit leben. Der Weg zur Stabilität führt über ein bewussteres Körpergefühl, gezieltes Training und den richtigen Umgang mit deinem Alltag.

Wenn du dich besser informieren möchtest, kannst du dir hier auf der Seite weiterführende Informationen holen – und den ersten Schritt machen, um dich wieder in deinem Körper wohlzufühlen.


Hast du Anmerkungen oder Fragen? Dann schreib mir gerne einen Kommentar oder schreibe mir eine Nachricht.


Literatur

  1. Sperstad, J. B. et al. (2016): Diastasis recti abdominis during pregnancy and 12 months after childbirth: prevalence, risk factors and report of lumbopelvic pain

  2. Lin, S. et al. (2024): Prevalence and risk factors of diastasis recti abdominis in the long-term postpartum: a cross-sectional study

  3. Thabet, A. A. & Alshehri, M. A. (2019): Efficacy of deep core stability exercise program in postpartum women with diastasis recti abdominis: a randomised controlled trial

  4. Shohaimi, S. et al. (2023): Split Tummy Exercise Program for Reducing Diastasis Recti in Postpartum Primigravidae: A Randomized Controlled Trial

  5. Campos de Oliveira, L. et al. (2025): Effects of conservative approaches for treating diastasis recti abdominis in postpartum women: A systematic review and meta-analysis

 
 
 

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